Verhältnismäßig müssen sie sein, die geplanten Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge. Das Umweltministerium hat deshalb einen Entwurf für Ausnahmen und Einschränkungen vorgelegt, die allerdings großen Ärger bei der Deutschen Umwelthilfe erzeugen. Was zum Streit in der Diesel-Debatte führt und welche Regelungen jetzt auf Autofahrer zukommen könnten, erfährst du in diesem Artikel.
Kurz nach dem Kabinettsbeschluss zum Fahrverbot für Dieselfahrzeuge hat das Umweltministerium jetzt seinen Entwurf zu Einschränkungen und Ausnahmen vorgelegt. Unter anderem heißt es darin, dass das Diesel-Fahrverbot nur in den Gebieten in Betracht komme, in denen die jährliche Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) einen Wert von 50 Mikrogramm überschreitet. Der EU-Grenzwert liegt allerdings bei 40 Mikrogramm NO2 im Jahresmittel.
Der Entwurf sieht außerdem vor, dass Fahrzeuge mit Stickoxid-Emissionen von weniger als 270 Mikrogramm pro Kilometer vom Diesel-Fahrverbot ausgenommen werden sollen. Diese Regelung betrifft vorrangig nachgerüstete Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und 5, die somit weiterhin in den Innenstädten unterwegs sein dürfen. Besitzer der neuen Euro-6-Diesel dürfen im wahrsten Sinne aufatmen, diese Fahrzeuge werden von Fahrverboten gänzlich ausgeschlossen. Das Kabinett soll das neue Maßnahmenpaket bereits in den nächsten Tagen beschließen.
Im Diesel-Streit gibt es immer wieder Debatten um die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten. Dies ist laut Umweltministerium auch der Grund für die geplanten Einschränkungen und Ausnahmen. Städte, die im Jahresmittel nur geringe Überschreitungen der Grenzwerte aufweisen, sollen demnach nicht durch unverhältnismäßige Fahrverbote „bestraft“ werden. Unterstützt wird diese Einschränkung durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Diesel-Fahrverbote sind demnach zulässig – wenn sie verhältnismäßig bleiben.
Kontinuierlichen Gegenwind gibt es außerdem seitens der Automobilhersteller, die insbesondere gegenüber der Hardware-Nachrüstung skeptisch bleiben. Geplant ist deshalb ein Spitzentreffen zwischen Verkehrsminister Andreas Scheuer und den deutschen Automobilherstellern. Bisher weigerten sich diese hartnäckig gegen die Kostenübernahme für die Nachrüstungen.
Scharfe Kritik äußert die Deutsche Umwelthilfe. Die Regierung wolle mit den Ausnahmen den NO2-Jahresmittelgrenzwert hochsetzen und verstoße damit gegen gesetzliche Vorschriften. Mit den geplanten Anpassungen widerspreche das Umweltministerium außerdem gegen geltendes Europarecht und könne damit vor nationalen Gerichten keinen Bestand haben. Das Ministerium sieht das anders und rechnet nicht mit europarechtlichen Problemen.
In jüngster Vergangenheit hatte die Deutsche Umwelthilfe bereits für mehrere Städte Diesel-Fahrverbote erwirkt. Dabei waren unter anderem Stuttgart und Frankfurt ins Visier geraten, weitere Städte befinden sich noch in Verhandlungen oder müssen bereits Fahrverbote ab 2019 organisieren. In Hamburg dürfen bereits zwei Straßenabschnitte im Stadtteil Altona nicht mehr mit Dieselfahrzeugen befahren werden. Allerdings konnte das Diesel-Fahrverbot dort bisher keine signifikante Verbesserung der NO2-Werte erzielen.
Mit dem neuen Urteil könnten Kommunen in Zukunft eigenständig Fahrverbote aussprechen und ältere Diesel-Modelle aus den Innenstädten aussperren. Für Besitzer von Diesel-Fahrzeugen unterhalb der Euro-6-Norm könnte das eine massive Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit in den Innenstädten bedeuten. Große Probleme wird das Fahrverbot auch Pendlern und Touristen machen, die mit ihrem Diesel die betroffenen Abschnitte befahren wollen.
Seit Jahren liegen die NO2-Werte in den meisten deutschen Großstädten deutlich über dem erlaubten Grenzwert. Aus diesem Grund wurde bereits 2008 die Luftreinhalterichtlinie der EU vorgelegt. Die gesundheitlichen Gefahren der erhöhten Stickoxidbelastung sind zwar bekannt, das Problem ist jedoch nur schwer in den Griff zu bekommen. Die Deutsche Umwelthilfe baut deshalb verstärkt Druck auf und verlangt schnellere Lösungen.